Havanna - Vorreiter beim Urban Gardening

Wer an Kuba denkt, denkt an das letzte Labor des realen Sozialismus, an Karibikstrand und die eleganten Musiker des Buena Vista Social Club, aber nicht an Urban Gardening und ökologische Landwirtschaft. Dabei ist das Land hier Pionier – und Havanna ein Labor für die Forschung zur „Essbaren Stadt“.

Urbaner Lebensmittelanbau hat in Havanna eine lange Tradition, Foto: EdiCitNet

In den frühen 1990er Jahren erlebte Kuba als Folge des Kollapses der Sowjetunion eine dramatische Wirtschaftskrise: die Lieferungen an Erdöl, Düngern und Pestiziden blieben aus – ebenso wie Lebensmittelimporte. Traktoren konnten nicht mehr fahren, Felder nicht mehr auf industrielle Weise beackert werden, die Lebensmittelproduktion brach ein. Aus der Not heraus besann man sich auf andere Methoden.

Stadtacker in Havanna: Obst und Gemüse für zwei Millionen Einwohner

In Havanna nahmen die Bewohner die Versorgung in die eigenen Hände. Aus noch der kleinsten Brache und aus den Hinterhöfen machten sie Gemüsegärten. Mittlerweile ist die städtische Landwirtschaft ein Wirtschaftsfaktor. Der Einsatz ressourcenschonender Methoden wie Tropfbewässerung, Fruchtfolge oder die großflächige Produktion von Humus mit Hilfe von Regenwürmen haben den Anbau ertragreich gemacht: 20 kg Ernte pro Quadratmeter. Das ist das Zehnfache des Ertrages, den hierzulande ein kleiner Betrieb dem Boden abringt. In Havanna werden mittlerweile mehr als zwei Drittel des Obstes und Gemüses für die gut zwei Millionen Einwohner vor Ort produziert.

Das lokal produzierte Obst und Gemüse versorgt Havannas Bevölkerung, Foto: EdiCitNet

Mit den neuen Anbaumethoden hat das Land seine Ernährungsprobleme zwar nicht völlig gelöst, es gibt noch immer Mangelernährung. Trotzdem ist Havanna für die Stadtökologin Ina Säumel ein Vorbild. Säumel erforscht Konzepte für eine „Essbare Stadt“, und Havanna ist – neben Berlin, Rotterdam, Andernach und Oslo – einer der Orte, den sie mit ihrem Team als „Living Lab“ untersucht. Anders als in europäischen Städten, wo meist kleine Initiativen hinter den städtischen Gemeinschaftsgärten stehen, wird die Produktion in Havanna über Genossenschaften organisiert. Stadtfarmer haben so Zugang zum Fuhrpark, kommen günstig an Dünger und nutzen gemeinsame Vertriebswege, etwa um Großabnehmer wie Schulen oder Krankenhäuser zu beliefern

Strukturen für Urban Gardening im großen Stil

Das Wissen über Anbaumethoden wird auch außerhalb der Kooperativen geteilt. „Auf jedem Markt steht ein Kiosk, wo nicht nur Saatgut und Sonnenhüte verkauft werden, Agraringenieure bieten auch Beratung an“, berichtet Säumel. Auch noch die kleinsten Nebenerwerbs-Stadtfarmer hätten auf diese Art Zugang zu landwirtschaftlich-ökologischem Fachwissen und könnten ihre Erträge verbessern. Die Strukturen für diese urbane Landwirtschaft in großem Stil wurden in Kuba im Rahmen von nationalen Programmen für die Förderung der urbanen und suburbanen Landwirtschaft aufgebaut, die die Regierung erstmals im Jahr 1994 aufgelegt und seither laufend aktualisiert hat. So können beispielsweise städtische Flächen ausgewiesen werden, die nicht bebaut werden dürfen, und Bürgerinnen und Bürger können sich bewerben, um darauf ein Organiponico anzulegen – so heißen die ökologischen Stadtfarmen auf Kuba. Viele Menschen ernähren damit nicht nur ihre Familien, sie erwirtschaften Gewinne. Der Beruf des Bauern ist attraktiv geworden.

„Urban Gardening muss raus aus der Nische“

„Kuba hat es geschafft von Mini-Gärten zu einem System zu kommen, das auch in der Fläche funktioniert“, resümiert Säumel. Die Art und Weise, wie diese Skalierung gelungen ist, das sei auf Europa übertragbar. Die Stadtökologin ist sich sicher: „Wenn wir lokale Produktion stärken wollen, anstatt Obst und Gemüse zu importieren, dann muss Urban Gardening aus der Nische raus. Und dafür lohnt es sich, nach Havanna zu schauen.“

Markt mit lokal produzierten Lebensmitteln in Havanna, Foto: EdiCitNet

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